24. Januar 2019 | Bücher

Buchempfehlung: Deep & Wide von Andy Stanley

Creating Churches Unchurched People Love to Attend

Bereits vor 7 Jahren ist der Titel im englischen Original erschienen. Aber wer hat’s geschrieben, warum lohnt es sich mal reinzuschauen und worum geht’s?

Der Autor und die Gemeinde

Fangen wir mit Andy Stanley an: Jahrgang 1955, Pastor und Gemeindegründer, hat 1996 die North Point Community Church – eine denominationsfreie evangelikale Megakirche – im Großraum Atlanta ins Leben gerufen. Inzwischen nehmen jeden Sonntag mehr als 38.000 Menschen an 6 Standorten am Gottesdienst teil. Damit ist sie die zweitgrößte Kirchengemeinde der USA. Das Besondere aber an North Point ist, dass sie hauptsächlich Menschen erreichen, die vorher keine Christen waren. Und dies auch ihr erklärtes Ziel: Sie wollen in erster Linie Gemeinde für die Entkirchlichten (unchurched people) sein. Soviel zu den harten Fakten.

400 Seiten auf Englisch sind manchmal kürzer als man denkt

Aber wieso lohnt es sich als Gemeindegründer und auch als Verantwortlicher für bestehende Gemeinden die fast 400 Seiten im englischen Original durchzuackern (eine deutsche Übersetzung ist leider bis dato noch nicht erschienen)? Es macht erst einmal schlichtweg Spaß zu lesen – Andy ist ein sehr humorvoller, strukturierter aber nicht trockener Autor.

Zweitens: Das Buch bietet wertvolle Ansätze und Prinzipien, wie Gemeinde aussehen kann, damit kirchenfremde Menschen effektiv mit dem Evangelium erreicht werden können. Dabei geht es nicht darum, einen bestimmten Style oder ein bestimmtes Programm nachzuahmen, sondern Andy verallgemeinert seine Erkenntnisse insoweit, dass sie selbst für Deutschland relevant, nachvollziehbar und anwendbar bleiben. Erfrischend ist, dass er dabei nicht dogmatisch, sondern eher pragmatisch vorgeht und immer wieder von seinen Erfahrungen erzählt, die sie vor Ort mit diesen grundlegenden Prinzipien gemacht haben.

Das bleibt hängen

Aber worum geht’s nun? Was ist das „Erfolgsrezept” der North Point Community? Andy beschreibt u.a. 5 essentielle Zutaten, die wie ein Katalysator auf kirchenfremde Menschen wirken sollen. Dabei sind nur die Punkte 1. bis 3. unmittelbar durch eine Gemeinde beeinfluss- und kontrollierbar, die Punkte 4. und 5. müssen eher wahrgenommen und bei der Ausrichtung der Gemeinde Beachtung finden:

  1. Lehre mit konkretem Lebensbezug (practical teaching): Hier geht es darum, nicht nur einfach Wahrheit zu predigen und zu lehren, sondern die Lehre sollte für den Alltag der Adressaten hilfreich und nützlich sein. Es muss ermutigen, das Gehörte konkret umzusetzen und auszuprobieren. Dadurch kann Glauben und Vertrauen in Gott wachsen.
  2. Persönliche Glaubensausübung (private disciplines): Menschen wachsen im Glauben, indem sie ermutigt werden, regelmäßig persönlich in Kontakt mit Gott zu treten, beispielsweise durch Gebet, spirituelle Übungen oder Bibelstudium.
  3. Dienst (personal ministry): Ein weiterer Punkt, der Menschen im Glauben weiterbringen soll, ist das Engagement innerhalb der Gemeinde. Sie erhalten dadurch die positive Erfahrung, dass sie durch den heiligen Geist befähigt und gebraucht werden.
  4. Durch Gott initiierte schicksalhafte Begegnungen/Beziehungen (providential relationships): Dahinter versteckt sich der Gedanke, dass Menschen auf ihrem Lebensweg anderen Menschen aufgrund Gottes Führung begegnen, die eine Schlüsselrolle für ihren persönlichen Glauben spielen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Gottes Reden oder Handeln durch diese Schlüsselperson zum Vorschein kommt. Eine Gemeinde kann diese Beziehungen nicht künstlich erzeugen, sondern hierfür nur Rahmenbedingungen bieten (z.B. durch das Angebot von authentisch gelebten Kleingruppen oder Zweierschaften).
  5. Ausschlaggebende Lebensereignisse (pivotal circumstances): Positive wie auch negative Lebensereignisse können auf den individuellen Glauben jeweils stärkend oder schwächend einwirken (z.B. Verlust eines geliebten Menschen). Dies resultiert letztendlich aus der Interpretation dieser oft krisenhaften Lebensereignisse. Und die Interpretation wird wiederum durch das individuelle Welt- oder Gottesbild sowie den Personen, die einen während dieser ausschlaggebenden Lebensereignisse begleiten, determiniert. Gemeinde hat hier die Herausforderung, generell eine gute und gesunde biblische Sicht auf Gott und die Welt zu vermitteln sowie Strukturen zu schaffen, die Menschen unterstützen und auffangen können.

Ausgestaltung & Reflexion

Diese Katalysatoren finden bei North Point in der Ausgestaltung aller Gemeindeangebote (Gottesdienst, Kindergottesdienst, Kleingruppenangebote, etc.) Anwendung. Und das bis ins kleinste Detail. Dabei hinterfragen und reflektieren sich die ausführenden und strategischen Teams ständig, ob die Angebote in ihrer konkreten Umsetzung und die generelle Ausrichtung der Gemeinde geeignet sind, kirchenfremde Menschen zu erreichen, anzusprechen und in Nachfolge Jesu zu bringen. Dies hat bei North Point zur Folge, dass ständig nachjustiert wird. Aufgrund dieses Systems der ständigen Reflexion und der Maxime, Gemeinde primär für entkirchlichte Menschen sein zu wollen, sinkt die Gefahr unbewusst den Status-Quo zu konservieren. Es fordert daher ständig heraus, immer neu und frisch zu denken und sich ggf. neu auszurichten.

 

Andreas Scholz


Hier ein paar Impressionen aus der Buckhead Church, einem Standort der North Point Community Church in der City von Atlanta: